60 years on Stage



 Eine Musiker-Laufbahn

Nachdem ich 1962 von Halle/S. zum Studium nach Schmalkalden gegangen war, habe ich  die Band THE POLARS gegründet, in der klassischen Besetzung Melodie- Gitarre, Rhythmus- Gitarre, Bass- Gitarre, Klavier/Orgel und Schlagzeug. Wir waren damit die erste Beat- Gruppe  Thüringens und ich war der erste Bassgitarrist Thüringens! Eigentlich wollten wir uns POLARIS nennen, aber so hieß eine amerikanische Rakete und so mussten wir das „i" weglassen. Den englischen Artikel THE in unserem Bandnamen erklärten wir den Genossen mit einer Abkürzung für THÜRINGER HEIMAT ENSEMBLE. Wir wurden sehr schnell bekannt in Thüringen und unser Domizil war die Stadthalle Gotha. Woche für Woche strömten Hunderte von Fans in die Stadthalle und Gotha wurde laut Radio Luxemburg die Hochburg des Beat in Ostdeutschland. Und tatsächlich- die Leute kamen aus Erfurt, Weimar, Eisenach, Suhl, Apolda und sogar aus Leipzig und Halle. 1965 gewannen wir den 1. Ausscheid der Beatgruppen im Kreis Gotha und wurden zum Bezirksausscheid delegiert. Doch daraus wurde nichts mehr , weil infolge des 11. Plenums der SED ein jäher Wandel in der Kulturpolitik vollzogen wurde. Der Beat- bisher geduldet als die Musik der verarmten und arbeitslosen Jugendlichen Englands- wurde pauschal verboten, weil unsere sozialistische Jugend den Beat nicht brauchte. Vorher fuhren wir aber erst einmal in das einzige Studio, das es in Ostdeutschland gab (Amiga-Studio in Berlin) und wollten einige unserer Eigenkompositionen aufnehmen. Leider hat uns im Studio unsere Anlage verlassen und Ersatz- Verstärker gab’s in diesem Studio nicht. So haben wir unsere Komposition „Eskimo" an Amiga verkauft, damit wir nicht ganz umsonst in Berlin waren. Der Titel wurde dann vom Berliner „Franke-Echo-Quintett" eingespielt. Die Aufnahme kam auf die LP „Big Beat 2". Kurz  darauf fuhren wir zu Aufnahmen nach Bratislava zum  tschechoslowakischen Rundfunk. Hier konnten wir unsere Kompositionen  selbst einspielen, denn inzwischen hatten wir bessere Verstärker und unsere Titel wie ESKIMO, BEAT-WALZ, TRIFT-ICE usw. wurden bei Radio Bratislava produziert. Von dort aus gelangten die Aufnahmen zu Radio Luxemburg. Als unsere Musik nun über westliche Sender gespielt wurde, war das Maß voll für unsere Kulturfunktionäre und so wurden die POLARS auf "Lebenszeit" verboten. Nach einem halben Jahr sah man sich aufgrund des „Drucks von unten" gezwungen, die „Mitglieder der ehemaligen Kapelle POLARS"  zu einem Gespräch einzuladen und ihnen vorzuschlagen unter dem Namen WOSTOKS wieder zu spielen. Es durfte aber nicht mehr englisch gesungen werden.  Uns war es letzten Endes egal, wie die uns nannten, Hauptsache wir durften wieder spielen. Für die Fans blieben wir die POLARS. Zuerst sangen wir überhaupt nicht, sondern spielten nur Instrumental- Titel. Dann sangen wir auf Druck der Fans doch wieder englisch, bis das nächste Verbot kam. Das ließ nicht lang auf sich warten und kam Anfang 1968 in Form eines Rundschreibens an alle Veranstalter, denen verboten wurde, uns weiterhin zu engagieren. Der Hauptgrund für das Verbot war, dass ich während des Prager Frühlings Flugblätter mit den berühmten "2000 Worten" gedruckt  und in meinem Betrieb sowie bei unseren Konzerten verteilt hatte. Jedoch ab Ende 1968, nach vielen Auseinandersetzungen mit den Kulturfunktionären  durften wir unter dem Namen  REINER FRITZLAR COMBO  wieder spielen- zumindest für die nächsten 3 Jahre. Dann erfolgte das erneute Verbot. Der Hauptgrund war meine und meiner Frau politischen Aktivitäten, z.B. die Verhaftung meiner Frau beim Brandt- Besuch in Erfurt. Als Begründung wurde aber die Nichteinhaltung der 60/40% - Klausel angegeben. Auf unbestimmte Zeit wurde uns die Spielerlaubnis entzogen.  Unser Verbot sprach sich schnell  herum und so bekam  ich ein Angebot von der HITBAND  ZEITZ.  Mein  Gastspiel bei der Band währte jedoch nur ein halbes Jahr, bis die Kulturfunktionäre herausfanden, dass ich keine Spielerlaubnis hatte.  Erneut gründete ich eine Band. Es war ein Trio und wir hatten vor, den Leuten die Musik von Jimi Hendrix und Cream näher zu bringen. Das Trio bestand allerdings wieder aus drei Leuten der POLARS. Wir nannten uns Studio-Gruppe 72. Leider wurden wir gar nicht erst angehört, weil wir „überhaupt keine richtige Kapelle" wären. Für die „Fachleute" der Jury waren wir nur eine Rhythmusgruppe und so etwas konnte man nicht auf die Leute loslassen! Also nahm ich noch einen Saxophonisten und einen Orgelspieler dazu. Daraufhin erhielten wir sogar die „Sonderstufe“. Wir nannten uns ab Ende 1972 Blues Vital und kamen mit unserer Komposition „Blues von der Flüchtigkeit der Zeit“ sogar auf den Amiga- Sampler „Hallo 8“. Trotzdem hatte ich keine Lust mehr, in diesem Staat zu leben, der mir ständig verwehrte, meine Musik zu machen und so zu leben, wie ich wollte. Deshalb nahm ich Verbindung zu einem alten Freund (G.H.)  im Westen auf, der 1971 die DDR „illegal“ verlassen hatte und später noch seine Freundin und einen Freund nachgeholt hatte. Er hatte sich einer Gruppe angeschlossen, die sich lt. STASI- Unterlagen Fluchthelfergruppe FUCHS nannte.  Was ich damals nicht wusste:  Ab 1973 wurde ich von der STASI observiert. Es wurde ein sogenannter "Vorgang" aufgemacht unter dem Namen Verbindung. Mein gesamter Telefon- und Briefverkehr wurde überwacht und mehrere IM's wurden auf mich angesetzt. So erfuhren sie von meiner noch bestehenden Verbindung zu G.H. und damit zu der Schleusergruppe "Fuchs". Unter dem Vorwand der Berichtigung meiner Wehrunterlagen wurde ich ins Wehrkreiskommando bestellt, fand mich aber wieder in einem Verhörzimmer der STASI. Man verlangte unter Androhung einer Gefängnisstrafe wegen "ungesetzlicher Vebindungsaufnahme zu einer staatsfeindlichen Organisation (§§ 98 ff., 219 StGB DDR)", dass ich mit ihnen im Bezug auf diese Schleusergruppe kooperiere. Mit meiner Hilfe wollte man an sie herankommen und sie auffliegen lassen. Über das "Gespräch" musste ich eine "Schweigeverpflichtung" unterschreiben und falls sie mich anrufen müssten, um noch irgendwelche Sachen zu klären, nannten sie mir einen Codenamen, mit dem sie sich melden würden. Bei Bruch dieser Verpflichtung, also wenn irgendetwas über dieses "Gespräch" an die Öffentlichkeit dringen würde, wurde mir ebenfalls eine Gefängnisstrafe angedroht. Auf dieser Grundlage versuchte man mich nun zu erpressen. Mein Pech bei dieser ganzen Geschichte war, dass dieser STASI- Verhör- Offizier ausgerechnet mein Garagen- Nachbar war und er mich jederzeit vor der Garage abfangen konnte, was er auch öfters tat. Dann stellte er mir Fragen, die ich allerdings nie zu seiner Zufriedenheit beantwortete, d.h. mir fiel es nicht im Traum ein, etwas über G.H.  oder irgend Jemand anderen preiszugeben- noch dazu, wo ich selbst "geschleust" werden wollte. Um diese Begegnung zu vermeiden, stellte ich mein Auto dann nur noch selten in die Garage. Eines Tages verlangte der Typ, dass ich mich mit G.H. in der Tschechei treffen solle, um etwas über die Schleusergruppe zu erfahren. Das kam für mich natürlch nicht infrage, weil mir klar war, dass dies eine Falle war und dass sie sich G.H. mit Hilfe der  tschechischen Behörden schnappen wollten. So schlug ich vor, mich doch einfach nach Köln fahren zu lassen, damit ich mit G.H. zuhause sprechen konnte. Das wäre für mich "die" Gelegenheit gewesen, das Weite zu suchen. Selbstredend wurde das abgelehnt, denn man kannte ja meine Absichten aus dem Vorgang "Verbindung". Da man nun aber merkte, dass es aussichtslos war, über mich etwas über die Schleusergruppe herauszukriegen,  versuchte man mich als Spitzel zu werben. Das kam für mich auf keinen Fall infrage. Ich setzte nun alles auf eine Karte, selbst unter der Gefahr, von der Bühne weg verhaftet zu werden (meine Verbindung zu G.H. bestand ja immer noch) und teilte der STASI schriftlich mit, dass ich zukünftig jeglichen Kontakt mit ihnen verweigern werde. Wider Erwarten hörte ich danach nichts mehr von ihnen. Aus meinen STASI- Unterlagen erfuhr ich, dass auch in dieser Angelegenheit eine Akte über mich angelegt wurde, die 1983 endgültig geschlossen wurde.. 
Ab 1983 unterstützte ich die systemkritische Eisenacher Band Landplage. Natürlich fand ich mit diesem Bandnamen keinen Veranstalter, der die Band engagieren wollte. Sie war auch offiziell nicht zugelassen. Auf mein Betreiben hin änderte die Band ihren Namen in Karacho und ich wurde offiziell als „Kapellenleiter“ eingetragen. Die Band erhielt eine Einstufung in die "Oberstufe", durfte nun offiziell spielen und erlangte erstaunlich schnell großen Bekanntheitsgrad. Weil es aber im KZ Buchenwald einen Karacho- Weg gab, musste auf Betreiben der staatlichen Organe nochmals der Name geändert werden und so nannte sich die Band nun "Extra", bis sie 1984 hoffnungslos zerstritten war und sich auflöste. Mit dem Kern der Gruppe - dem Sänger „Kirsche“ und dem Schlagzeuger "Üde"  gründete ich daraufhin die schnell zur ostdeutschen Kult- Band avancierende Band PASCH, nachdem ich bei meiner Gruppe "Blues Vital", die sich jetzt nur noch "Vital" nannte, ausgestiegen war. Nach kurzer Zeit  wurde von der STASI  erneut ein "operativer Vorgang" gegen mich und nun auch gegen unseren Sänger "Kirsche" eröffnet, diesmal unter dem  Namen „Flieger“. Ziel war es, die systemkritische Band zu zersetzen, u.a. durch Inhaftierung der Rädelsführer Woigk und Kirchner. Es gelang ihnen aber nicht, unsere Texte als Beweis für unsere "staatszersetzende Tätigkeit" aufzuzeichnen. Auch ist es ihnen nicht gelungen, "...eine Quelle aus dem Bestand der Musiker bzw. Techniker der Gruppe Pasch zu werben". Als wir immer mehr Schwierigkeiten bekamen, stellten 3 Mitglieder der Band (Larry, Viola und ich) einen Ausreiseantrag. Wahrscheinlich entging ich dadurch einer Inhaftierung. Kirsche und Klaus (git) stiegen zum Jahresende 1987 aus, weil die Band aufgrund der Ausreiseanträge keine Perspektive mehr in der DDR hatte. Kirsche entging dadurch wahrscheinlich auch einer Verhaftung. Damit hatte die STASI trotzdem ihr Ziel, die Zersetzung der Band, nicht erreicht, denn ich holte daraufhin den Sänger und Geiger Andre Greiner Pol  und den Gitarristen Gerry Franke (beide von der verbotenen Berliner Band Freygang) in die Band und spielte in dieser Besetzung noch bis zu meiner Ausreise im Nov. 1988 als PASCH..
Nach der Wende kehrte ich nach Thüringen zurück, reaktivierte die POLARS, gründete nebenbei neue Bands wie The Lazy Dogs, Just Do It, UPDATE, tourte 4 Jahre mit der USA- Sängerin Elizabeth Lee durch halb Europa und führte  mit meiner Agentur Eastside Promotion zahlreiche große Konzerte  und Tourneen durch. Nach 30 Jahren der Gründung von PASCH führten wir am 29. Nov. 2014 in Neustadt/Orla ein sehr erfolgreiches Revival- Konzert in der Originalbesetzung von 1986 durch. Seitdem ist PASCH wieder Live zu erleben. So spielte die Band wiederholt in Steinbrücken an traditionsreicher Stätte in der Wolfsschlucht, aber auch in Ebersbrunn, Eisenach, Gotha, Heiligenstadt Meiningen u.a.
Durch das Ausscheiden von drei Musikern der POLARS durch Tod oder Krankheit hat es sich ergeben, daß nach und nach die Musiker von PASCH zu den POLARS gestoßen sind, so daß inzwischen die Besetzung der Polars identisch ist mit der Besetzung von PASCH. Im Prinzip ist es die gleiche Band, nur mit unterschiedlichem Programm.

Wilfried Woigk

 

 

 

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